Eigentum verpflichtet – Ein Kommentar

In unserer unmittelbaren Nachbarschaft steht ein denkmalgeschütztes Haus – das Gasthaus Fuhrhop. Der Eigentümer hat es in den letzten Jahren „etwas aus den Augen verloren“. Es verfällt zusehends. Hier ist unser Kommentar dazu.

Stellt euch vor, ihr kauft ein Auto. Es ist ein Oldtimer, nicht zu stark verrostet und seine kleinen Macken sind eher charmant als besorgniserregend. genau auf die richtige Art shabbychic. Ihr fahrt ein paar Mal damit, spielt mit dem Gedanken, ihn neu lackieren zu lassen – und stellt ihn dann in einem Hinterhof ab. Zehn Jahre später fällt euch ein, dass dieses Auto noch irgendwo steht. Ihr wart so beschäftigt damit, über die Farbe der neuen Sitzbezüge für euren SUV nachzudenken, mit dem noch sehr gut erhaltenen Wohnmobil, das lange in Familienbesitz war und dessen Blümchengardinen euch verzaubert haben und mit den Plänen für die Generalüberholung einer Tiefgarage. Dann, eines Morgens, erinnert ihr euch. Als ihr den Müll rausbringt, entdeckt ihr im Hinterhof zwischen Disteln und Brennnesseln den Oldtimer. Ein paar Scheiben sind zerbrochen, der linke Frontscheinwerfer hängt nur noch an einem Kabel und irgendein Witzbold hat sich in der Staubschicht auf der Heckklappe verewigt. Im Sitzpolster wohnt eine Mäusefamilie. Ihr seht das – und seid fest entschlossen, das Auto wieder loszuwerden. Zu einem guten Preis, das versteht sich von selbst. Es muss sich schließlich lohnen. Eure Preisvorstellungen treiben den Interessent*innen Lachtränen in die Augen.

In etwa so könnte es abgelaufen sein, als der Investor Peter Ohlms das Gasthaus Fuhrhop in Rettmer gekauft und dann gut zehn Jahre „ein wenig aus den Augen verloren“ hat, wie er gegenüber der Lünepost (nachzulesen in der Ausgabe vom 3.3.2021) angibt. Das ehemalige Gasthaus von 1555 gilt als das älteste Bauernhaus Lüneburgs und steht unter Denkmalschutz. Eine Sanierung kann also nur unter sehr genauen Auflagen erfolgen. Nach Angaben der Lünepost schätzt Ohlms selbst die Sanierungskosten auf zwei bis drei Millionen Euro. Die Immobilie samt Grundstück bietet er online für 375.000 Euro auf Verhandlungsbasis an. Im Sommer 2019 wollte er noch einen Verkaufspreis von 430.000 bis 450.000 Euro erzielen. Für beide Preisvorschläge gilt: Vor dem Hintergrund der notwendigen Sanierungsmaßnahmen ist das, unabhängig von der geplanten Anschlussnutzung, wirtschaftlich nicht abbildbar.

Es mag Dinge geben, die man 10 Jahre rumliegen lassen kann und deren Wert in dieser Zeit steigt. Bei Häusern, die langsam verfallen, bei denen die Farbe abblättert, Feuchtigkeit in die Wände kriecht und der Dachstuhl einfällt, ist das mit Sicherheit nicht der Fall. Das würde innerhalb der Marktlogik nur funktionieren, wenn man das Haus abreißen und das Grundstück umnutzen könnte. Mit Blick auf die Preisentwicklung von Grundstücken in und um Lüneburg, das in dieser Hinsicht zum Speckgürtel von Hamburg gezählt werden kann, erscheint diese Variante wirtschaftlich zunächst attraktiv. Aber das Gasthaus Fuhrhop steht unter Denkmalschutz und unterliegt damit besonderen Regelungen. Alles regelt der Markt eben doch nicht.

Aus den Augen, aus dem Sinn?

Da Ohlms mit der Firma Domizil, bei der er geschäftsführender Gesellschafter ist, in direkter Nachbarschaft des ehemaligen Gasthofs „kleine Luxus-Appartments“ ausgebaut hat, die er als hochpreisige Ferienwohnungen anbietet, erscheint die Aussage, Gasthaus Fuhrhop aus den Augen verloren zu haben, sehr unglaubwürdig. Und für seine eigenen Pläne mit dem alten Bauernhaus lässt das nichts Gutes ahnen.

Dass Ohlms das Gebäude absichtlich verfallen lässt, um den Denkmalschutz zu umgehen, ist natürlich reine Spekulation – aber der Umfang der angeblich regelmäßig durchgeführten Instandhaltungsmaßnahmen legt diese geradezu nahe: De facto wurde eine Folie über Löcher im Dach gespannt, nachdem die Denkmalschutzbehörde von Anwohner*innen auf den desolaten Zustand des Gebäudes aufmerksam gemacht wurde. Da wir von unserem Grundstück aus einen unverstellten Blick auf den Gasthof haben, konnten und können wir dem fortschreitenden Verfall zusehen. Von der regelmäßigen Sicherung, von der Ohlms spricht, kann keine Rede sein.

Sein neuster Planungsentwurf, den er gemeinsam mit einem namentlich nicht genannten Bauträger aus dem Landkreis bei der zuständigen Behörde eingereicht hat, wurde mit dem Hinweis abgelehnt, es sei mit den Bestimmungen des Denkmalschutzes nicht vereinbar. In dem Lünepost-Artikel bringt Ohlms seine Verwunderung darüber zum Ausdruck, eine kostenpflichtige Bauvoranfrage stellen zu müssen. Einmal mehr stellt sich die Frage, wie er sich das vorstellt: Gelten allgemeine Regelungen für ihn nicht? Wie lief das bei seinen bisherigen Bauprojekten? Wurde ihm diese Aufgabe abgenommen oder warum ist er so verwundert? Als Investor müsste er diesen im Bauwesen normalen Vorgang kennen, mit dem Projekte eine Rechtsverbindlichkeit erhalten. Und auch wenn ihm, wie er sagt, mündlich zugesichert wurde, das Gebäude ausbauen zu können, ist das kein Freifahrtschein für alle nun folgenden Pläne.

Rettmers Ortsvorsteherin Carmen Maria Bendorf hat eigene Wünsche für die Zukunft des Gasthauses. Im Gespräch mit der Lünepost schwärmt sie von generationenübergreifendem Wohnen, Veranstaltungs- oder Treffmöglichkeiten, für die der ehemalige Landgasthof Raum bieten könnte. In der Tat fehlt in Rettmer eine Begegnungsstätte, in der sich die Dorfbewohner*innen unabhängig von ihren sonstigen Interessen treffen können. Kneipe oder Café – so etwas gibt es in Rettmer nicht. Zwar gibt es den Hofladen von Hartmanns, in dem sich immer wieder zufällig Leute treffen und für einen kleinen Schnack verweilen. Eine richtige Begegnungsstätte ersetzt das jedoch nicht. Häcklingen hat immerhin eine Bäckerei, eine Buchhandlung,einen Bioladen – und eine Pizzeria. Auch zwei Grundstücke weiter, im Raeume-Wohnprojekt, sehen wir ein solches Potenzial von Gasthaus Fuhrhop. Wir würden uns sehr freuen, wenn das historische Gebäude erhalten und behutsam saniert würde. Ein lebendiger Ort der Begegnung im Herzen des alten Dorfkerns, das wäre schön.

Bis es so weit ist, kann die Schleiereule, die dort heimisch geworden ist, noch in Ruhe nisten. Und wir verfolgen die Entwicklungen in unserer unmittelbaren Nachbarschaft weiterhin gespannt aus der ersten Reihe.